Studien & Projekte

Forschung zu Tieren

Mit den positiven Effekten in den Beziehungen zwischen Kindern und Tieren haben sich bereits viele Wissenschaftler beschäftigt. Auch im Weiterbildungsbereich, z. B. in der Sozialpädagogik, wird diese Thematik behandelt. Hier finden Sie einige Beispiele.

Hundeliebe unterstützt bei Essstörungen

Liebe, Halt, Hoffnung, Wärme, Ruhe und Sicherheit: In der Wohngruppe „Vaiana“ arbeiten sich Mädchen und junge Frauen mit Essstörungen zurück in ein selbstbestimmtes Leben. Border Collie Emma, Labrador Summer und Mischlingshündin Gioia gehören fest zum Betreuungsteam.

Foto: Jugendhilfe Lebensmut | Gerrit Heiermann

Ihrer Insel droht Gefahr. Im Disneyfilm „Vaiana“ nimmt das gleichnamige Mädchen ihren Mut zusammen und segelt in die Welt, um letztlich ihre Heimat zu retten. „Das ist Sinnbild für unsere Arbeit, daher haben wir diesen Namen gewählt“, sagt Gerrit Heiermann, Sozialarbeiter bei der Jugendhilfe Lebensmut im nordrhein-westfälischen Schwerte. Deren pädagogisch-therapeutisches Wohnprojekt bildet für essgestörte junge Mädchen zwischen 14 und 18 Jahren eine Brücke zwischen einer Klinik und der Rückkehr in den normalen Alltag. Das Augenmerk liegt bei „Vaiana“ auf Gefühlsbewältigung, Selbstliebe und einem gesunden Bewegungserleben – Kompetenzen für ein selbstständiges Leben. Hierbei können Tiere gut unterstützen.

Bei „Vaiana“ beginnt das mit losen Tierbegegnungen im Alltag. „Gerade Hunde erweisen sich als gute Stimmungsaufheller und Motivatoren“, sagt Heiermann. Die ausgebildeten Therapiehunde begleiten auch feste Sitzungen, in denen die Bewohnerinnen an Übungen zu persönlichen Zielen arbeiten. Dazu gehört Bindung oder die Beziehung zu sich selbst, mit denen Menschen mit Essstörungen oft zu kämpfen haben. In besonders herausfordernden Gesprächen oder Situationen wie der Konfrontation mit Ängsten fungiert der Hund als emotionale Stütze.

„Summer gibt mir die Liebe, die ich mir selbst oft nicht geben kann.“

Auch bei Begleiterkrankungen wie ADHS oder Borderline profitieren die Patientinnen von tiergestützten Interventionen. „Eine Borderline-Diagnose beispielsweise bedeutet unter anderem ein sehr intensives Gefühlserleben. Hier helfen die Tiere einzuordnen: Was bedeutet zum Beispiel Wut? Wie spüre ich das?“

„Hunde geben mir Halt. Sie urteilen nicht, machen nichts komplizierter. Das gibt Ruhe und Sicherheit.“

Manchmal geht es auch einfach nur raus in die Natur. „Typisch für Essstörungen ist ein ausgeprägter Bewegungsdrang. Man geht nicht für den Genuss oder seelischen Ausgleich an die Luft, sondern um Strecke zu machen und Kalorien abzubauen“, erklärt Heiermann. Dann hilft der Spaziergang mit einem Hund bei der Entdeckung der Langsamkeit. Denn Hunde wollen schnüffeln, spielen oder einen Erdhügel erkunden. „Damit laden sie sanft zum Innehalten ein. Das wird viel leichter angenommen, als wenn ich eine Pause anordne.“

„Wenn es mir nicht gut geht, bringen mir die Hunde Hoffnung und Wärme.“

Diese Sensibilität ist es, die Tiere als Unterstützung für Heiermann so effektiv macht: „Sie bemerken sofort, wenn eine unserer Bewohnerinnen Belastendes mit sich trägt. Manche menschliche Kontaktaufnahme wäre womöglich übers Ziel hinausgeschossen. Der Hund dagegen stupst an und setzt so einen superfeinen Impuls, der aus dem Tunnel herausholen kann.“

„Ich erkenne mich in Gioia selbst ein Stück weit wieder. Umso schöner ist es, wenn wir gemeinsam einen Schritt nach vorn machen.“

Jeder Tag wird gemeinsam mit den Bewohnerinnen reflektiert. „Wird dann die tiergestützte Einheit als Tageshighlight genannt, ist das eine Bestätigung für unsere Arbeit“, sagt Heiermann. Darüber freut sich das ganze Team.

Kontakt: Jugendhilfe Lebensmut GmbH | Eickhofstraße 26 | 58239 Schwerte | Gerrit Heiermann | kontakt@jugendhilfe-lebensmut.de

 

Nach der Therapie ein eigenes Tier?

Wenn die Mädchen aus der Wohngruppe in ein eigenständiges Leben zurückkehren, fragen sich manche Eltern, ob ein eigenes Heimtier als Begleiter für die Tochter sinnvoll sein könnte. Die Antwort ist individuell: Viele essgestörte Menschen haben schon als kleines Kind gelernt, familiär Sorge zu tragen und haben diese Rolle perfektioniert. Dann kann die erneute Verantwortung, dieses Mal für ein Tier, eher eine Bürde fürs neue Leben sein. Sind die Eltern aber in der Lage, die Hauptsorge für ein Tier zu tragen oder geht es anschließend in die Verselbstständigung, so ist die weitere Begleitung durch einen Gefährten mit Fell durchaus eine Option – und der Hund ein Freund für den kommenden Lebensabschnitt.